Der Abgeordnete Michael Goldmann (FDP) macht aktuell innerhalb der Koalition Druck, in dieser Legislaturperiode nun doch noch über die Novellierung des Tieschutzgesetzes abzustimmen. So sollen nach den derzeitigen Entwürfen sexuelle Handlungen an bzw. mit Tieren zukünftig eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Es soll mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro belegt werden, „Tiere für eigene sexuelle Handlungen zu nutzen oder für sexuelle Handlungen abzurichten oder zur Verfügung zu stellen und dadurch zu artwidrigem Verhalten zu zwingen“.
Bevor man nun aber je nach persönlicher Sichtweise zu Freudensprüngen ansetzt oder darüber nachdenkt, sich aus dem sozialen Leben zurückzuziehen, lohnt ein genauerer Blick, denn der Gesetzesentwurf weist gleich drei deutliche Schwachstellen auf.
Zum einen gestaltet sich der Gesetzesvorschlag insofern als problematisch, als dass er lediglich eine Sanktionierung privat stattfindender Mensch-Tier-Kontakte vorsieht. Das heißt, finden die sexuellen Handlungen im Rahmen tierärztlicher Untersuchungen oder zum Zwecke der Tierzucht statt, so bleiben sie nach der vorgesehenen Formulierung weiterhin straffrei, während alle anderen Fälle, in denen eine sexuelle Motivation des Handelnden, der Wille, dem Tier eine Freude zu bereiten oder die bloße Neugier auf das tierische Verhalten vorliegen, zukünftig sanktioniert werden sollen.
Um Ihnen einige Bespiele dieser Absurdität aufzuführen:
- das Zulassen von normal vorkommendem tierischen Verhalten gegenüber dem Menschen (Belecken und/oder Berammeln, aber auch allgemeiner Körperkontakt) soll sanktioniert werden, sobald es den Menschen sexuell erregt
- Selbstbefriedigung im Beisein eines Tieres und/oder während des Streichelns und/oder Kuschelns mit diesem soll sanktioniert werden, obgleich mit dem Tier selbst keine sexuelle Handlung stattfindet
- die Masturbation des Tieres aus Neugier auf dessen Reaktion oder als Dressurhilfsmittel („für die Ausgeglichenheit des Tieres sorgen“) bzw. im Rahmen der Sexualassistenz (Masturbation des Tieres, um diesem einen Gefallen zu bereiten) soll sanktioniert werden, auch wenn es die handelnde Person nicht sexuell erregt
- das nicht-Unterbinden der Penetration durch einen aus völlig eigenem Antrieb und ohne äußere Beeinflussung aufreitenden Rüden soll sanktioniert werden, auch wenn es die betreffende Person nicht sexuell erregt
- einem Eber einen Elektrostab in den After einzuführen, um ihn zur Ejakulation zu bewegen, soll erlaubt sein, solange es die handelnde Person nicht sexuell erregt
- eine Stute oder Kuh zu fesseln und ihr den Unterarm oder ein tierärztliches Utensil in die Vagina einzuführen, um sie künstlich zu befruchten, soll erlaubt sein, solange es die handelnde Person nicht sexuell erregt
- eine Stute zu fesseln und sie von einem Hengst gegen ihren Willen besteigen zu lassen, soll erlaubt sein, solange es den Menschen nicht sexuell erregt
- einen Hengst dazu abzurichten, auf ein Phantom zu springen und in eine künstliche Vagina zu ejakulieren, soll erlaubt sein, solange es den Menschen nicht sexuell erregt
- einen Bullen dazu abzurichten, auf andere Bullen aufzuspringen und in eine künstliche Vagina zu ejakulieren bzw. sich das Aufspringen gefallen zu lassen, soll erlaubt sein, solange es den Menschen nicht sexuell erregt
Interessant hierbei ist, dass nicht der (möglicherweise) zugefügte Schaden am Tier sanktioniert werden soll, sondern die sexuelle Handlung als solche – das heißt, es ist völlig irrelevant, ob dem Tier tatsächlich Schaden zugefügt wird oder nicht. Viel mehr sollte doch eigentlich die Sichtweise des Tieres ausschlaggebend sein für eine mögliche Sanktionierung. Dem Tier ist es letztendlich egal, welche Motivation die mit ihm sexuell interagierende Person verfolgt. Für es selbst zählt nur, ob es an den Handlungen Gefallen findet oder nicht. Und Geschlechtsverkehr bedeutet für Tiere – wie für uns Menschen auch – nicht automatisch Leid, sondern nur in den Fällen, in denen die Handlungen gegen den Willen und/oder auf grobe Weise geschehen.
Ein weiteres schwerwiegendes Problem des Gesetzentwurfes stellt der Begriff „artwidrig“ dar. Dieser ist zunächst einmal im Bereich der Rechtswissenschaft nicht näher definiert; allgemein existiert bisweilen keine wissenschaftliche Definition, wodurch dieser Begriff ebenso unwissenschaftlich und irreführend ist wie der früher der im Zusammenhang mit Homosexualität und „Sodomie“ verwendete Begriff der „Widernatürlichkeit“.
Zudem wird im Gesetzesentwurf davon ausgegangen, dass jede sexuelle Handlung zwischen Mensch und Tier per se einen Zwang zu artwidrigem Verhalten darstellt. Dabei sollte sich im Zusammenhang mit domestizierten Tieren zu aller Anfang überhaupt erst einmal die grundsätzliche Frage gestellt werden, was denn tatsächlich als „artwidrig“ betrachtet werden kann. Für den uns seit tausenden Jahren begleitenden Hund beispielsweise ist die natürliche Umwelt schlicht und ergreifend der Mensch. Aus Sicht des Hundes stellt der Mensch somit ein (wenn auch seltsam anmutendes) Rudelmitglied dar, weshalb es für ihn auch naheliegend ist, den Menschen als potentiellen Fortpflanzungspartner zu betrachten. Dementsprechend ist es ein nicht wenig verbreitetes Phänomen – und dies ist auch hinreichend dokumentiert -, dass Tiere aktiv und ohne menschlichen Einfluss ihre Sexualität am Menschen auszuleben suchen (wobei dies in der Regel durch die Halter aus Scham unterbunden wird).
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass speziesübergreifender Geschlechtsverkehr – wie Homosexualität auch – sogar in der freien Natur unter wildlebenden Tieren zu beobachten ist. Auch dies ist hinreichend dokumentiert. Die angeführte Begründung, dass speziesübergreifender Geschlechtsverkehr grundsätzlich artwidrig sein muss, ist somit eindeutig falsch.
Ferner stellt sich abseits der Diskussion über sexuelle Mensch-Tier-Kontakte die Frage, ob nicht auch andere „Gebrauchsformen“ von Tieren durch den Menschen als artwidrig zu betrachten sind. Wie steht es etwa um die Ausbildung und Nutzung von Hunden als Blindenhunde? Oder von Tieren als Versuchstiere in beispielsweise der Kosmetikindustrie?
Der aber nach Ansicht des ZETA-Vereins wohl größte Mangel des geplanten „Anti-Sodomie“-Gesetzes ist weiterhin die Tatsache, dass eine Sanktionierung zoosexueller Mensch-Tier-Kontakte angestrebt wird, ohne dass überhaupt wissenschaftliche Belege dafür existieren, dass sexuelle Handlungen mit einem Menschen grundsätzlich schädlich für das Tier seien. Und dies insbesondere auch in Hinblick auf die Fälle, in denen die Initiative eindeutig vom Tier ausgeht bzw. sich dieses aktiv verhält und der Mensch es lediglich gewähren lässt, ohne sein Verhalten zu unterbinden.
Da das Zufügen von Schmerzen, Leiden und Schäden ohne vernünftigen Grund schon jetzt auf Grundlage des Tierschutzgesetzes geahndet werden kann, wird dieser zusätzliche Paragraph die Tiere nur vor ihrer eigenen Sexualität schützen.
Unter dem Strich erweist sich also auch die aktuell zur Diskussion gestellte Fassung als praktisch nicht umsetzbar. Der als Begründung herangezogene Begriff der Artwidrigkeit ist rechtlich absolut unhaltbar, da er wissenschaftlich noch nicht klar definiert ist; überhaupt stellt sich die Frage nach der Definition von Artwidigkeit, da auch viele nicht-sexuelle „Verwendungsformen“ von Tieren als artwidrig betrachtet werden können. Auch die vorgesehene Sanktionierung der sexuellen Motivation ist ausgesprochen fragwürdig, da hierbei lediglich die Handlungen von Privatpersonen sanktioniert werden sollen, nicht jedoch jene von kommerziellen Betrieben, deren Methoden wohlgemerkt sehr gängig und allgemein akzeptiert sind. Ein sachlicher Grund, warum der für beide Seiten angenehme sexuelle Kontakt zwischen Mensch und Tier verboten werden soll, während der sexuelle Missbrauch in der Agrarindustrie jedoch weiterhin erlaubt bleibt, ist nicht ersichtlich.
Allgemein möchten wir vom ZETA-Verein an dieser Stelle nochmals darauf verweisen, dass eine Sanktionierung sexueller Mensch-Tier-Kontakte in Anbetracht unseres bestehenden Tierschutzgesetzes (insbes. § 17 TSchG) absolut überflüssig ist. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt steht es in Deutschland unter Strafe, einem Tier ohne vernünftigen Grund Leid zuzufügen oder gar es zu töten – und hiervon sind zoosexuelle Handlungen nicht ausgenommen. Es ist ganz offensichtlich, dass die Ratschläge vom Richter Dr. Gerdes bei der Expertenanhörung am 17.10.2012 nicht bei den Entscheidungsträgern angekommen sind. Obwohl eindringlich von Dr. Gerdes auf die verfassungsrechtlichen und ethischen Bedenken eines solchen Gesetzes hingewiesen wurde, wird nun unter dem Deckmantel des Tierschutzes ein Moralgesetz einzuführen versucht. Die rechtstaatlichen Grundprinzipien, welche Ende der ’60er Jahre mit der großen Strafrechtsreform in unserer deutschen Rechtsprechung verankert wurden und nach denen die Moral im Strafrecht nichts mehr zu suchen hat, werden somit wieder ausgehebelt.
Für die als Begründung des „Anti-Sodomie“-Paragraphen angeführte Behauptung, jede sexuelle Interaktion mit dem Menschen schade einem Tier automatisch, ist nach wie vor kein einziger wissenschaftlicher Beweis erbracht worden.
Letztendlich ist das geplante Gesetz nur ein weiterer trauriger Auswuchs der Doppelmoral unserer heutigen Gesellschaft, die den Status der Tiere als Sklaven in unserem System weiter festigen wird. Tiere, die nicht als Zuchttiere gebraucht werden, bekommen weiterhin keine eigene Sexualität oder gar ein Recht auf deren Auslebung eingeräumt. Sie haben gefälligst süß und knuddelig zu sein und dem menschlichen Bedürfnis nach einem Kinderersatz zu dienen. Doch auf keinen Fall sollen sie ihren eigenen sexuellen Bedürfnissen nachgehen dürfen. Und wer ihnen dies dennoch ermöglicht, dem sollen harte Sanktionen drohen.
Kurzum: Wird das geplante „Anti-Sodomie“-Gesetz in seiner aktuellen oder einer anderen Fassung verabschiedet, so hält der ZETA-Verein dieses aus den aufgeführten Gründen für verfassungswidrig. Als logische Konsequenz daraus werden wir im Ernstfall den Rechtsweg beschreiten und den Gang vor das Bundesverfassungsgericht unternehmen; als letzte Instanz sehen wir den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Dies wäre nicht der erste Fall, in dem die höchsten Richter auf Kosten der Steuerzahler verfassungswidrige Gesetze korrigieren müssen. Ferner wäre dann der Ausschuß dazu verpflichtet, sich erneut und in ausführlicherer Form mit dem Gesetz zu befassen.